Mein alter Live Wire Kollege Jürgen Both hat mit mir ein Interview geführt, in dem es um Musik, Mittelalter und mein Buch DIAGNOSE Infektion Metal geht. Es hat mich sehr gefreut, dass Interesse bestand, mich auszuquetschen.
Hier das Interview:
Jörg ist ein Hard Rock-/Metalfan der ersten Stunde aus Rheinbach, der durch DEEP PURPLE mit dem „Virus Rockmusik“ angefixt wurde, das ihn seitdem nicht mehr losgelassen hat. Er hat mit Konzertfotos und ersten Berichten/Interviews (1984/85) für unser Metal-Fanmagazin LIVE WIRE (1984-1992) angefangen. 1996 wurde er dessen Herausgeber. Schon 1982 hatte er die Idee, ein Buch über die Metalszene zu schreiben, herausgekommen ist es erst jetzt (siehe Kritik). Über diese Themen und die Zukunft der Metalszene haben wir ein unterhaltsames Interview geführt.
Mit diesem Interview beginnt eine Reise in die Vergangenheit. Vor längerer Zeit habe ich meinen alten Bekannten Jörg Schnebele im Kubana in Siegburg bei einem Konzert wiedergetroffen, wo er Fotos machte. Er war in den 80er Jahren der Herausgeber unseres Heavy Metal Fanmagazines Live Wire, für das ich viele Interviews geführt und Fotos gemacht habe.
Ich habe jetzt auch angefangen CD Kritiken für sein Internet Zine Hellfire zu schreiben.
Weiterer Anlass eines ausführlichen Interviews ist die Veröffentlichung seines Buches „Diagnose Infektion Metal“, wo er die Szene der 80er Jahre wieder aufleben lässt, mit Band Bios und interessanten Hintergrund Geschichten. Empfehlenswert. (die Buch Kritik findet ihr auf meiner Facebook Seite, siehe Link unten)
Hallo Jörg, wie fing das bei dir mit Hard Rock/Heavy Metal an, ich fand gut im Buch „ein Virus, der einen nicht mehr loslässt“.(H.M.)
Das war eher Zufall… Mich hat Anfang der Siebziger das Cover von Deep Purple „In Rock“ quasi angesprungen. Gehört hatte ich vorher nichts davon, habe mir das Album aber zu Weihnachten gewünscht, bekommen und dann war die Infektion da. Von da an habe ich alles an Bands gesucht, die ähnlich klangen und es dann natürlich vom Rock über den Hardrock zum Heavy Metal geschafft.
Wie bist du auf die Idee gekommen Fotos bei Konzerten zu machen und Interviews/Berichte zu verfassen? Du hattest ja keine Erfahrung.
Fotografieren ist mein Hobby seit ca. meinem 10. oder 11. Lebensjahr. Als ich dann die ersten Konzerte besuchte, wollte ich meine Eindrücke als Erinnerungen einfangen. Das lief aber nicht gleich von Anfang an, da mir das richtige Equipment fehlte. Erst 1983 beim Rock Pop in Concert habe ich meine Spiegelreflex Kamera das erste Mal mit zum Konzert genommen. Da ich mitten im Publikum stand und nur ein 135mm Tele hatte, sind die Fotos natürlich nicht prickelnd; allerdings als Zeitdokument wieder interessant. Damals haben ja nur sehr wenige professionelle Fotografen im Fotograben gestanden. Die passende Presse
fehlte ja damals noch, so dass meine körnigen Bilder von Maiden, Ozzy, Krokus etc. in gewisser Weise ihre Daseinsberechtigung haben.
Erfahrung hatte ich bis zu dieser Zeit beim Fotografieren ja nur mit Standard Shots bei gutem Licht oder mit Blitz. Rock Pop in Concert zeigte dann gleich auf, an was ich in der Zukunft zu arbeiten hatte.
Und was das Schreiben anging: dass ging dann Step by Step beim Live Wire los.
Wenn du heute die Zeit mit dem Live Wire betrachtest, wie siehst du das, hätte da mehr draus werden können oder passte das gut in die Zeit?
Ich war natürlich traurig, als wir damals das Live Wire eingestellt hatten. Ich war an dem Punkt, eine berufliche Entscheidung treffen zu müssen: Hopp oder Topp. Nebenher wurde das Ganze zu aufwendig. Du weißt ja aus eigener Erfahrung, wie wir damals, noch ohne gute Computersoftware am Live Wire rumgestrickt haben. Da ich mit Familie auf Nummer sicher gehen wollte, fiel dann letztendlich die Entscheidung, 1992 Live Wire zu Grabe zu tragen.
Allerdings muss ich sagen, dass ich bis zum heutigen Tag immer wieder überrascht bin, wie viele Leute unser Mag kennen und damals gelesen haben. Gerade Leute, die heute bei anderen Mags, Platten – oder Promofirmen arbeiten, berichten mir sehr oft, dass sie einige Ausgaben zu Hause haben und die inzwischen für sie Kultstatus haben.
Das bestätigt sich auch durch immer wieder aufkommende Anfragen nach alten Heften aus aller Welt. Und dazu kamen dann auch Interviewanfragen aus dem Ausland bezüglich meiner Arbeit mit Live Wire. Ich denke, wir haben damals eine ganze Menge richtig gemacht und gehören definitiv zu den Pionieren in Deutschland.
Neu kamen dann ja die Internet Magazine. Wie ist das bei dir mit dem Hellfire Zine gekommen, machst du das inzwischen alleine als Chef?
Die Idee, ein Webzine zu machen, kam bei mir schon vor vielen Jahren auf. Ich habe mich aber vor der Arbeit gescheut. Man muss dabei nicht nur Fan der Musik sein, sondern neben Redaktionsarbeiten und Fotografieren auch ne Menge vom Computerscheiß verstehen.
Als dann 2015 Dirk, ein Kumpel aus unserem Dorf, mit jemandem aus dem Pott Hellfire begonnen hat, bin ich gleich als Schreiberling und Fotograf eingestiegen. Dann lief es so ähnlich ab, wie damals beim Live Wire. Der Knabe aus dem Ruhrpott ist ausgestiegen und ich stand Dirk als stellvertretender Chefredakteur zur Seite. Mit unserem Team haben wir kontinuierlich an unserer Qualität und Akzeptanz gearbeitet.
Vor ca. 2 Jahren war Dirk der Job als Chefredakteur neben seinen anderen Verpflichtungen zu viel. Er zog sich vom aktiven Dienst zurück und ist heute der Herausgeber, während ich die Stelle des Chefredakteurs übernommen habe. Aber das alles läuft nur, weil wir ein super klasse Team aus Redakteuren und Fotografen haben. Ohne die Mädels und Jungs ging gar nichts. Und Gott sei Dank decken wir geschmacklich vom traditionellen Metal bis zum derbsten Death
Metal alles ab. So können wir eine breite Masse Fans ansprechen.
Du warst/bist lange bei den Tomburg Rittern aktiv gewesen, gibt es die Truppe noch, bist du noch dabei und wird es 2022 weitergehen?
Hm, ja, die Tomburg Ritter gibt es noch. Ich habe die Mittelaltergruppe 2002 zusammen mit meiner Frau und einem befreundeten Ehepaar gegründet. Wir haben das Ganze soweit bringen können, dass wir bis vor ca. drei Jahren eine der größten Mittelaltergruppen Deutschlands waren. Dann habe ich als Vorsitzender und erster Ritter aber den „neuzeitlichen“ Fehler gemacht, zu viel Demokratie zuzulassen. Da haben dann die falschen Leute Oberhand gewonnen, und ich hatte irgendwann einfach keinen Bock mehr, einen hundertköpfigen Kindergarten zu führen. Ich bin dann von meinem Amt zurückgetreten und
bin heute nur noch passives Mitglied. Ist ja schließlich mein Baby. Aber besser wäre es gewesen, den Verein in seiner Hochzeit in Würde sterben zu lassen. Nun tut es nur noch weh, wenn ich sehe, was da passiert.
Kommen wir zu dem Buch. Was hat dich bewogen, dieses herauszubringen?
Ich habe ja die Grundlage dessen, was ich dieses Jahr veröffentlicht habe, bereits 1982 geschrieben. Damals, weil ich so besessen von der Musik war, dass ich meinte, anderen Leuten eine kleine Plattform bieten zu müssen. Es gab ja noch keine Metal Presse in Deutschland. Da der Metal damals aber überhaupt nicht im Fokus irgendeines Verlages stand, habe ich natürlich auch keinen Verlag gefunden, der das Ding veröffentlichen wollte.
Gott sei Dank kann ich nur sagen.
Im Corona Jahr fielen ja dann fast alle Konzerte ins Wasser und die vielen Abende, an denen ich zuvor fotografierte und dann die Bilder bearbeitete, waren nun frei. Und ich kann einfach nicht, ohne etwas zu tun. Vorrangig, was mit Metal zu tun hat. Da fiel mir ein, dass ich im Keller das Manuskript noch irgendwo rumliegen haben musste. Die ursprüngliche Idee, das Teil so zu veröffentlichen, wie es war, zerschlug sich direkt, als ich gelesen habe, welchen Mist ich damals verbrochen habe. Allerdings fand ich es reizvoll, diesen Dilettantismus mit aktuellen Ergänzungen aufzuhübschen. Das habe ich dann gemacht, und schließlich hatte ich das in den Händen, was nun als „DIAGOSE Infektion Metal“ veröffentlicht wurde.
Wäre es nicht besser gewesen du hättest mehr Business Geschichten veröffentlicht und die Band Bios weggelassen? (weil nicht mehr aktuell)
Nee, auf keinen Fall, ich wollte ja zeigen, was wir damals hatten, welche Bands es gab und wie die Szene war. Eine Menge Bands gibt es ja auch heute noch, und so finde ich jedenfalls – und eine Menge Leser haben mir das bestätigt – dass dies den eigentlichen Reiz des Buches ausmacht.
Was weitere Business Geschichten angeht: da hätte ich noch einiges zu Papier bringen können; aber da musste ich immer abwägen, was vertretbar ist zu berichten und was nicht. Ich habe viele Dinge erlebt, die, wenn ich sie veröffentlicht hätte, mein Buch auf das Niveau der Zeitung mit den vier Buchstaben gebracht hätte. Und das ist nicht mein Ding. Hier und da habe ich auch mal auf die Fresse gehauen, aber immer nur so, dass es nicht in ein schriftstellerisches Gemetzel abdriftet.
Haben dich da vielleicht auch Fargo Pedders Bücher inspiriert, wo ja auch Geschichten aus dem Heavy Metal Business veröffentlicht sind?
Nee, inspiriert nicht, weil schon bei Pedders erstem Buch mein Rahmen stand. Ich war allerdings überrascht, was Herr Knorn so zu Papier gebracht hat. Das fand ich total klasse und spannend, zumal Peter ja ein sehr respektvoller Mensch ist und das, was er bringt, manchmal einigen Leuten ein schlechtes Zeugnis ausstellt, er dies aber mit so viel Anstand bringt, dass es vollkommen vertretbar ist.
Na, und dann muss ich sagen, habe ich mich mit meinem Buch und alten Stories auf einmal bestätigt gefühlt. Ich habe gesehen, wie begeistert ich die alten Stories bei Peter gelesen habe und gehofft, dass es bei meinen Lesern ähnlich abläuft.
Allgemeine Frage zum Heavy Metal. Glaubst du, es werden noch mal solche Bands wie z.B. IRON MAIDEN, METALLICA, AC/DC oder GUNS´N ROSES kommen oder ist die Zeit der „Supergroups“ vorbei? Wohin entwickelt sich der H.M. nach Corona, in Zukunft?
Das ist ein Blick in die Glaskugel. Aber ich bin davon überzeugt, dass es zwar einige Bands zukünftig geben wird, die ein ähnliches Niveau erreichen. Aber nicht mehr so eine große Kluft zwischen den ganz Großen und den kleinen Bands hinterlassen.
Es gibt so viele geile neue Bands, das es unmöglich für die Fans ist, alles zu kennen, sich deren Alben zu kaufen oder zu deren Konzerten zu gehen.
Dadurch, dass Metal bei einigen Leuten, die früher nie Metal gehört haben, „unsere“ Musik auf einmal hip finden, verhilft ja nicht ohne Grund vielen Metal Bands in die regulären Charts. Es sei ihnen auch gegönnt. Und viele kleine und neue Bands schwimmen in dem Sog mit, was auch ok ist.
Problematisch wird es meiner Meinung nach wirklich werden, sobald „normale“ Konzerte wieder möglich sind. Selbst wenn die Fans es wollen, sie können unmöglich alles kaufen und live sehen, was sie möchten. Das wird dann noch einmal ein harter Weg, der sich meiner Meinung nach erst nach zwei/drei Jahren entspannen wird.
In der ersten Zeit ist das ein dickes Plus für Festivals, auf denen die Fans für vergleichsweise wenig Geld viele Bands sehen können.
Aber egal, ob ich mit meiner Prognose recht habe oder nicht: Metal wird bleiben, so wie er sich die letzten 40 – 50 Jahre gehalten hat. Unsere Musik ist unkaputtbar.
Link zum Interview bei Rocktimes Production